Ambulante Wissenschaft – Ambulanz des Denkens
Ambulante Wissenschaft – oder auch die Ambulanz des Denkens – hat ihre Basis in theoriebewehrter Praxis in einem temporären Denkkollektiv.
Wir leben verstreut zwischen Paris und Berlin, Hamburg und Basel und müssen lange Wegstrecken überwinden um uns zu treffen. Die multidisziplinäre, nicht an eine Institution gebundene Zusammensetzung der Gruppe erfordert ein ständiges „Kreuzen und Durchwandern“ unterschiedlicher Disziplinen, um als Sozialwissenschaftler, Mediziner, Psychologen, Geisteswissenschaftler und Künstler miteinander arbeiten zu können. Ambulante Wissenschaft entwickelt ihre Perspektive und ihre Fokussierungen, aus den spezifischen Arbeitsbedingungen, die sie lokal vorfindet und sucht damit Anschluss an die Flecksche Haltung über die Anerkennung außergewöhnlicher Rahmenbedingungen neue Erkenntnisebenen zu eröffnen.
Ambulante Wissenschaft bemüht sich um überindividuelles, kollektives, nicht-disziplinäres Denken im Sinne Flecks. Unser Denkstil ist die Ambulanz mit ihren unterschiedlichen Methoden und Techniken, der Polyphonie, der Kombinatorik, der Psychogeographie, einem Versuch, Ereignissen, Forschungsgegenständen in bestimmten Weisen und Haltungen nachzufolgen.
Unser Begriff der Ambulanz oder der ambulanten Wissenschaft korrespondiert mit der Ambulanten Wissenschaft Deuleuze-Guattaris und mit Flecks Aufbruch, seinem Ausgangspunkt und der Formierung seiner Epistemologie durch klinisch-medizinisches Denken. Das lateinische Verb ambulare „wandern“, „umherziehen“ fand seinen Eingang in die Medizin im Begriff der Ambulanz. Gemeint ist damit ursprünglich das Feldlazarett in Kriegszeiten und damit eine Praxis, die ihren Subjekten unmittelbar an den Ort des Geschehens folgt. Wir betrachten Flecks erste Publikation ‚Über einige Besonderheiten des ärztlichen Denkens’ als programmatisch für seine späteren Werke, insofern als Flecks klinische Erziehung, sein Wissen über die Bedeutung von Intuition, permanenten Perspektivwechseln, subjektiver Erfahrung und dem Verzicht auf Konsequenz bei Diagnose und Therapie eine deutliche Spur in seiner Epistemologie hinterlassen hat. Intuition und Erfahrenheit werden nicht gegen Rationalität und das Verfolgen von Forschungshypothesen ins Feld geführt, sondern miteinander ins Spiel gebracht.
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